Jamnitzer für alle – keine Stadt die Reichen!

Wir waren heute am Jamnitzer. Es gab Kinderprogramm und alle konnten ihre Wünsche für den Jamnitzer aufschreiben. Und wir haben eine Rede gehalten. Lest sie doch mal durch:

Liebe Kinder, liebe Jugendlichen, liebe Erwachsenen, liebe Gostenhoferinnen, liebe Freundinnen,

Wir sind Anna, Arthur, Dieter und Dori vom Ortsverein Gostenhof der Falken aus Nürnberg. Wir haben unseren Stadtteilladen – das Amikaro – in der Adam-Klein-Strasse. Dort treffen sich immer unsere Kinder- und Jugendgruppen und wir sind damit in direkter Nachbarschaft zum Jamnitzerplatz, den wir oft – gerade in Zeiten von Corona – nutzen. Wir kennen unseren Jamnitzer also recht gut.

Er ist ein Ort zum Fahrrad fahren lernen, zum Fussball, Basketball, Tischtennis spielen und zum Inliner fahren. Er ist ein Ort zum Daten und Knutschen. Ein Ort zum Freundinnen treffen und Bier trinken und kiffen, ein Ort zum Trubel genießen und beobachten. Ein Ort zum Sand buddeln, zum Pflanzen und Tiere beobachten und zum picknicken. Ein Ort, um einen Plausch mit uralten Nachbarinnen zu halten. Ein Ort, um sich nicht alleine zu fühlen. Ein Ort, um zu schaukeln, zu klettern und fangen spielen. Ein Ort, um Zeit zu vertrödeln und die Hausaufgaben zu vergessen. Ein Ort, um sich nach der Arbeit besaufen. Zum Musikhören……ein Ort, der den nicht vorhandenen eigenen Balkon oder Garten ersetzen muss.

Puhhh. Das sind ziemlich viele Anforderungen, die an diesen Platz gestellt werden und es ist eine grosse Herausforderung, diese unter einen Hut zu kriegen. Wenn Scherben rumliegen, lässt es sich schlecht Fahrrad fahren lernen, wenn Betrunkene aggressiv werden, kann das Angst machen.

Neben diesen ganzen legitimen und verständlichen Ansprüchen an den Platz gibt es aber noch ganz andere Ansprüche, die an ihn gestellt werden.

Er soll für manche, nämlich die, die ihn garnicht als Balkon oder Garten nutzen müssen, weil sie ja selber einen haben, für manche von denen soll der Platz auch Wochenends ab 22 Uhr muksmäuschenstill sein. Für die soll der Platz auch sauber sein – aber nicht einfach nur ohne Scherben oder Dreck, sondern frei von Menschen, die ihnen als unschicklich, verwahrlost, unangepasst oder unangenehm, als zu laut oder zu viele erscheinen. Sie wünschen sich ein bürgerliches Idyll vor der eigenen Haustür, in dem keine Armut und kein Elend sichtbar sind und in dem nur derjenige Ausdruck von Lebensfreude zu sehen sein soll, den sie selbst praktizieren: Kindergekreische, Vodka O-trinkende Jugendliche, die HipHop oder Techno aus ihren Boomboxen hören und Graffiti zählen für sie nicht. Erst ziehen sie die Zäune um ihre eigenes Grundstück, nun wollen sie die öffentlichen Plätze einhegen.

Für uns hingegen zählen die gerade genannten Anforderungen, die diese Leute an den Platz und das Viertel stellen, nicht als legitime Bedürfnisse. Sollen sie ihr Bürgeridyll halt in ihrem Garten ausleben oder aufs Land ziehen – sie können sichs doch locker leisten.

Wir stellen fest, dass den mit unserem Stadtteil und seinen Leuten nicht zu vereinbarenden Bedürfnissen dieser Fraktion von der Stadt und der Presse besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird. Es vergeht kaum ein Monat ohne einen reisserischen Artikel über den Jamnitzer und wie schlimm doch die Verhältnisse dort seien. Scheinbar gibt es ein Mitsprachrecht vor allem für Hauseigentümerinnen und besorgte Anwohnerinnen. Warum fragt eigentlich niemand das Mödchen, das am Jamnitzer Fahrrad fahren lernt, wie ihr der Platz gefällt. Oder den Jugendlichen, der dort mit seinen Leuten abhängt.

Die Polizei reagiert einerseits auf die Greuelmärchen vom verwahrlosten Jamnitzerplatz und produziert gleichzeitig genau solche Bilder. Die permanente Kontrolle, die häufige polizeiliche Präsenz, das Überreagieren und das martialische Auftreten von USK zum Beispiel letzten Sommer wirken nach außen, als herrsche Soddom und Ghomorra am Jamnitzer. Und genau diese falsche Darstellung soll wiederum das harte und permanente Vorgehen der Polizei rechtfertigen. Da beisst sich doch die Katz in Schwanz.

Dabei kann man hier regelmäßig beobachten, wen die Polizei eigentlich kontrolliert: people of colour, Jugendliche und Trinkerinnen. Die Polizei agiert nach rassistischen, jugendfeindlichen und armen- und arbeiterinnenfeindlichen Kriterien. Ein Sicherheitsgefühl verschafft sie nur den reichen Weißen. Alle anderen haben eher Angst oder sind genervt von ihr. Hierbei arbeitet die Polizei eng mit der Stadtverwaltung zusammen. Zusammen wird unter dem Deckmantel von Sicherheit und Ordnung die Kommerzialisierung des öffentlichen Raums vorangetrieben, zum Beispiel durch das städtische Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen. Es ist völlig in Ordnung, sich im Weinlokal für 6 Euro das Gläschen hart zu betrinken und besoffen über den Jamnitzer ins Eigenheim zu strahlen, aber es ist verboten, sich mit billigem Fusel aus der Norma oder Bier vom Willi am Jamnitzer zu betrinken. Wer sich den Rausch leisten kann, darf ihn legal haben. Das ist reine Klassenpolitik.

So sieht der Umgang der Stadt und der Polizei mit den Anforderungen, die an diesen Platz gestellt werden, aus.

Wie könnte die vernünftige Harmonisierung der vielfältigen und teils widersprüchlichen Bedürfnisse am Jamnitzerplatz stattdessen aussehen?

Wir fordern die Abschaffung des generellen Alkoholverbots auf öffentlichen Plätzen – am Jamnitzer soll man sich berauschen dürfen.

Für die verschiedenen Bedürfnisse muss es aber eine Bereichseinteilung geben. Der Spielplatz soll kein Ort zum Trinken und Rauchen sein. Scherben und Kippen im Sandkasten sind bescheuert für Kinder.

Niemand hat Lust mit platten Reifen rumzufahren – deswegen sollten die, die beim Feiern Scherben produzieren diese auch wieder wegräumen.

Die Polizei soll ihre Provokationen einstellen und die Menschen am Jamnitzer in Frieden lassen. Selbst unter den beschissenen vorherrschenden kapitalistischen und staatlichen Verhältnissen gibt es Städte, die auf bessere Konzepte als auf Einschüchterung und Überwachung setzen. Zum Beispiel könnten Konsumräume geschaffen, Beratungsangebote und Streetwork ausgebaut werden.

Aber natürlich können auch unsere Lösungsansätze unter den gegebenen kapitalistischen Verhältnissen nicht alle Widersprüche auflösen. In einer Klassengesellschaft, in der notwendigerweise Armut und Elend produziert werden, weil sich der Reichtum bei denen Oben anhöuft, in einer solchen Gesellschaft wird es auch keine harmonischen, problemfreien Plätze geben. Deshalb kämpfen wir für eine sozialistische Gesellschaft, in der Menschen selbstbestimmt ihren Lebensraum gestalten können – ganz egal wie alt sie sind und wie sie aussehen.

Die Plätze denen, die sie nutzen!

Danke.